Meikel Schönweitz eröffnete den Kongress mit seinem Vortrag zur Talentförderung auf nationaler Ebene. Der Cheftrainer der U-Nationalmannschaften erläuterte den Status Quo der Talentförderung in Deutschland, damit verbundene Herausforderungen und entsprechende Lösungsmöglichkeiten.
Schönweitz startete seinen Vortrag mit der Aussage, dass die Jugendmannschaften des DFB bei internationalen Wettbewerben auf den ersten Blick nur bedingt erfolgreich seien. Von der U17 bis zur U20 könnten die deutschen U-Nationalmannschaften zwar mithalten, seien aber von der internationalen Spitze entfernt. In der U21 erzielte der DFB gute Ergebnisse. Bei den letzten drei Turnieren gewann die deutsche U21 zwei Titel. Bis einschließlich der U20-Junioren sei es jedoch schwieriger, sich für eine Endrunde zu qualifizieren. Schönweitz zeigte dann aber auf, dass die Punkteausbeute von U-Nationalmannschaften die Punkteausbeute von vier der fünf Meister in Europas Top-Ligen übertreffe - lediglich die Titel würden fehlen. Außerdem stelle die Corona-Pandemie die Talentförderung in Deutschland vor neue Herausforderungen. Durch fehlende Absteiger gäbe es größere Ligen und weniger Spiele aufgrund der ausfallenden Rückrunde. Der Klassenerhalt habe einen höheren Stellenwert als die Talentförderung.
Zu den sportlichen Herausforderungen in der Talentförderung in Deutschland zählen laut Schönweitz die Themen Individualisierung, Intensität und Schwerpunkte. Auf der einen Seite müssten Trainer*innen gezielter auf die Ansprüche der einzelnen Spieler*innen eingehen, zu viel Individualisierung führe auf der anderen Seite jedoch zur Verminderung der Mannschaftsleistung. Intensität gehe auf vielen Ebenen verloren, weil Trainer*innen Angst vor der Überlastung der Spieler*innen hätten. Zu wenig Intensität resultiere aber in Nachteilen in der Dynamik, Schnelligkeit und Kraft gegenüber anderen Nationen. Üben und Spielen müssten im Training gleichermaßen gewichtet werden, erläuterte Schönweitz. Der Trend in den vergangenen Jahren entwickle sich jedoch in Richtung Trainerdominanz, wodurch die Kreativität der Spieler*innen verloren gehe.
Neben den sportlichen Aufgaben sehe sich die Talentförderung auch außersportlichen Herausforderungen gegenüber. Das System und der Rahmenterminkalender seien für die Entwicklung der junger Spieler nicht vorteilhaft. Zudem müssen sich Spieler mit doppelter oder dreifacher Staatsbürgerschaft ab einem gewissen Zeitpunkt entscheiden, ob sie für das Land, mit dem sie sich intensiver identifizieren oder das Land, das ihnen eine vielversprechendere Perspektive bietet, spielen wollen. Beim Abschließen von Verträgen müssen Spieler wählen, ob ihnen Geld wichtiger erscheint, beispielsweise um ihre Familie finanziell zu unterstützen, oder die Perspektive zur sportlichen Förderung im Fokus steht. Eine weitere Herausforderung sei, dass in den männlichen U17- und U19-Bundesligen Spieler aus aller Welt spielen, weshalb das Sichten für die deutschen U-Nationalmannschaften erschwert sei. Bei Überschneidungen müssen Spieler abwägen, ob sie am Lehrgang der Nationalmannschaft oder am Vereinstraining teilnehmen. Außerdem sei es vielen Spieler wichtiger, einen Kaderplatz bei Profis in der 1. Liga zu haben als Stammspieler in der zweiten oder dritten Liga zu sein, wodurch diejenigen weniger Spielzeit erhalten.
In seinem Vortrag präsentierte Schönweitz mögliche Lösungen für die genannten Probleme. Im deutschen Fußball müssten Kompetenzen gebündelt und zusammengebracht werden. Als Beispiel nannte er das Trainerteam der U21-Nationalmannschaft bestehend aus Toni Di Salvo (Altersspezialist, Typ Junioren-Trainer), Hermann Gerland (Erfahrung, Typ Ex-Profi) und Daniel Niedzkowski (Innovation, Typ Laptop-Trainer). Die U-Nationalmannschaften würden in zwei Zyklen, von der U15 bis zur U17 und von der U18 bis zur U20 trainiert. Durch diese Zyklen entstehe kein Positionsneid unter den Trainern und sie können die Spieler über einen längeren Zeitraum entwickeln.
Inhaltlich entwickelt der DFB positionsspezifische Programme für die Verteidigung, das Mittelfeld und den Angriff, erklärte Schönweitz. Dabei stünden folgende Fragestellungen im Vordergrund: Welche Situationen kommen konkret auf Abwehrspieler zu? Welche wiederkehrenden Herausforderungen kommen auf Mittelfeldspieler zu und wie lösen internationale Top-Spieler diese? Wo und wie fallen die meisten Tore? Welche Qualitäten brauche ich genau dafür?
Um intuitive Spielkompetenz zu fördern, müssten Trainer*innen die richtige Balance zwischen trainierdominiertem Konzept-Training und spielerdominiertem Kreativ-Training finden. Durch gute Ressourcennutzung könnten Trainer*innen effektiver im Training arbeiten. Durch organisierte, auf Vertrauen basierende Trainerteams könne außerdem detaillierter und positionsspezifischer trainiert werden. Üben sei lediglich Auswendiglernen, auf Verstehen könne aufgebaut werden. Verstünden Spielerinnen und Spieler, wann sie wie und warum handeln müssen, könnten sie eigene Lösungsmöglichkeiten erarbeiten. Abschließend stelle laut Meikel Schönweitz auch das permanente Weiterlernen der Trainer*innen eine wichtige Möglichkeit dar, Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu entwickeln - ein Plädoyer für den Fortbildungsauftrag des BDFL und den Besuch von Fortbildungen!