Sky-Moderator Michael Leopold hatte am letzten Kongresstag auf dem Podium Matthias Sammer im Interview zu Gast. Mit ihm sprach er über den aktuellen Stand des deutschen Fußballs. Im Gespräch fordert Sammer mehr Kommunikation zwischen allen Verantwortlichen im deutschen Fußball und plädiert für eine Bündelung aller Kompetenzen.
Zur Aufarbeitung der WM und der Zukunftsperspektive des deutschen Fußballs zuliebe, wünsche sich Sammer, wie schon Christoph Daum und Gunnar Gerisch zuvor, eine Anwesenheit von Jogi Löw beim ITK. Aber nicht, „um mit dem Finger auf ihn zu zeigen, sondern um mit ihm in engen Austausch zu gehen, sodass er gestärkt aus dem Dialog hervorgehen kann“, sagt Sammer. Es sei derzeit eine gute Situation für den DFB, um jetzt die richtigen Entscheidungen zu treffen, um in Zukunft wieder erfolgreich zu sein.
Welche Entscheidungen das sind, fügt Sammer im Anschluss an. Er sagt: „Ich glaube, dass der deutsche Fußball wieder eine Philosophie braucht.“ Er plädiert für eine angemessene Ausgewogenheit: „Bitte vergesst alle, dass der Ballbesitzfußball nichts wert sei“. Ballbesitzfußball funktioniere nur, wenn man klare Ziele verfolge. Für die Nachwuchsentwicklung im DFB wäre es ein Armutszeugnis, den Ballbesitzfußball zu vergessen, sagt Sammer.
Dem Weltmeister zollt Sammer Respekt und zieht einen Vergleich zum DFB-Team. Die Franzosen haben während der WM eine ganz einfache defensive Stabilität, eine gute Mentalität, und mit einigen Spielern eine starke Individualität gezeigt. Zusammenfassend sagt Sammer, dass die Franzosen das Turnier nach dem Credo der deutschen gespielt haben. Zum Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft findet Sammer auch deutliche Worte. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir in der Vorrunde ausscheiden“, sagt Sammer. Es sei aber kein Grund jetzt in kopflose Panik zu verfallen. Der deutsche Fußball habe wunderbare Organisationsformen, weiß Sammer. Die Frage sei nur, wie stark der DFB ist. Sammer wünscht sich einen stärkeren Austausch zwischen dem Verband und den Leistungszentren. „Wir müssen dabei Schwerpunkte festsetzen aber wo sind die richtigen“, fragt sich Sammer. Diese Richtlinien vermisse er. Man habe 2018 keine fußballerisch schlechtere Generation als 2014. Man sollte sich aber darüber unterhalten, welche Schwerpunkte in der Ausbildung gesetzt werden sollten, fordert Sammer.
Als Alteingesessene auf die jungen Spieler loszugehen sei absolut unangebracht, sagt Sammer. Das bedeute nur, dass die Alten versagt haben, die Jungen zu führen. Er nennt in diesem Zusammenhang Spieler wie Josua Kimmich, Leon Goretzka und Julian Brandt, die alle „wunderbare selbständige Jungs“ seien. Individualisten wie Leroy Sané und Julian Brandt habe Deutschland immer gebraucht.
Sammer fordert: Wir müssen unsere eigene Mentalität stärken. Deutschland habe schon immer auf Ballbesitz gespielt. Man müsse dabei aber zielgerichteter agieren. Das Deutsche Spiel bei der WM war zu statisch, sagt Sammer. Den Spaniern ging es aber ja genauso, stellt er fest. „Wir sollten darüber nachdenken, wo wir stehen und welche Maßnahmen wir jetzt mit unseren jungen Leuten im Fußball und im Verband ergreifen“, schlägt Sammer vor. Sammer rät, die Dinge nicht zu verkomplizieren, sondern zu vereinfachen. „Pragmatismus statt Aktionismus“ fordert Sammer.
Für ihn sei eine weitere Lösung eine Struktur mit mehr Kompetenz zu schaffen. Man kann in Deutschland auf die Erfahrung von Trainerlegenden wie Jupp Heynckes und Ottmar Hitzfeld zurückgreifen und sie zu Rat ziehen. Dazu rät Sammer unter anderen. Er fordert: „Wir brauchen „Idealisten, die nicht in Aktionismus verfallen, wie zum Beispiel einer Analyse der WM, die viel zu lange dauert.“ Man brauche Leute, die wissen wie es geht und die mit anderen Experten in den Austausch gehen. Der Antrieb wäre bei Sammer einfach: Er habe die Nase voll davon, wenn andere erfolgreicher sind als die Deutschen. Sammer ist aber kein Schwarzmaler. Er sagt: „Wir haben sehr guten Voraussetzungen, und Kompetenzen, die wir nur besser bündeln müssen.“ Er plädiert für Orientierung und Struktur. Es sei sehr wichtig miteinadner zu sprechen. „Es geht dabei nur um den Fußball und es sollte auch nur um den Fußball gehen“, sagt Sammer abschließend.